»Das Geschriebene darf nicht ernst genommen werden – das Geschriebene muß todernst genommen werden«. Zur Notation und Interpretation musikalischer Gesten im Schaffen György Kurtágs

Zu den hervorstechenden Merkmalen der Musik von György Kurtág gehört ihre gestische Disposition und Intensität. Aber wie lassen sich musikalische Gesten, die sich aufgrund ihrer synthetischen Natur erst im Akt der Aufführung konstituieren, in Notenschrift fassen? Und vor welchen spezifischen Fragen...

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Main Author: Tobias Bleek
Format: Article
Language:deu
Published: Gesellschaft für Musiktheorie (GMTH) 2017-06-01
Series:Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie
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Online Access:https://storage.gmth.de/zgmth/pdf/890
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description Zu den hervorstechenden Merkmalen der Musik von György Kurtág gehört ihre gestische Disposition und Intensität. Aber wie lassen sich musikalische Gesten, die sich aufgrund ihrer synthetischen Natur erst im Akt der Aufführung konstituieren, in Notenschrift fassen? Und vor welchen spezifischen Fragen und Herausforderungen stehen die Interpret*innen, wenn sie versuchen, das Notierte zu entschlüsseln und musikalisch umzusetzen? Der vorliegende Text untersucht dieses für die Kurtág-Analyse und -Interpretation bedeutsame Themenfeld anhand ausgewählter Werke und Quellenmaterialien. Im Zentrum steht die Entwicklung von Kurtágs Notationspraxis von der traditionellen Notation im Streichquartett op. 1 (1959) über die relative Dauernnotation in den Acht Duos für Violine und Cimbalom op. 4 (1960/61) bis zur Ausweitung der Notationsformen in der Klaviersammlung Játékok (1973ff.). Eine Schlüsselfrage, die dabei behandelt wird, betrifft den Grad an Kontrolle, die durch den Komponisten in der Notation der musikalischen Gesten impliziert wird, und den Grad an Freiheit, den Interpret*innen benötigen, um diese Gesten lebendig werden zu lassen. Unter Bezugnahme auf Theodor W. Adornos unvollendete Theorie der musikalischen Reproduktion werden auch grundsätzliche Fragen diskutiert, die für eine auf die Dimension des Performativen gerichtete Musiktheorie und Musikwissenschaft von Bedeutung sind. Im Schlussteil wird Kurtágs Interpretationsästhetik und sein jahrzehntelanger Versuch, eine auktorial verbürgte Aufführungspraxis zu etablieren, schlaglichtartig in den Blick genommen. // Kurtág’s music is known for its gestural disposition and intensity. But how can musical gestures – synthetic objects that come into existence only in performance – be grasped through notation? And what specific questions and challenges do performers face when trying to decipher the notation and transform it into music? The present essay examines this range of topics, which is crucial to analysis and performance of Kurtág’s music, by way of selected works and source materials. The study focusses on the development of Kurtág’s musical notation, from traditional notation in his String Quartet op. 1 (1959), to an approximate durational notation in the Acht Duos for violin and cimbalom op. 4 (1960/61), up to his expansion of notation in the piano cycle Játékok (1973ff.). A central issue is the extent of control implied by the composer’s notation of musical gestures and the degree of freedom that the performer requires in order to bring them to life. Theodor W. Adornoʼs unfinished theory of musical reproduction serves as a background for a discussion of fundamental questions that are central to music-theoretical and musicological studies of performativity. The final section discusses briefly Kurtág’s decade-long efforts to establish an authorially sanctioned performance tradition for his music.
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