Effekt, Extrem – oder Erfindergeist?. Niels W. Gades Fünfte Sinfonie und der obligate Klavierpart

Mit der Einbeziehung eines obligaten Klavierparts in den sinfonischen Orchestersatz ist Niels W. Gades Fünfte Sinfonie in d-Moll op. 25 ein Novum innerhalb der Gattungsgrenzen des tradierten Sinfoniebegriffs in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Mithilfe einer Analyse im Hinblick auf die Behandlung der...

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Main Author: Lara Nettelmann
Format: Article
Language:deu
Published: Gesellschaft für Musiktheorie (GMTH) 2022-07-01
Series:Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie
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Online Access:https://storage.gmth.de/zgmth/pdf/1161
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description Mit der Einbeziehung eines obligaten Klavierparts in den sinfonischen Orchestersatz ist Niels W. Gades Fünfte Sinfonie in d-Moll op. 25 ein Novum innerhalb der Gattungsgrenzen des tradierten Sinfoniebegriffs in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Mithilfe einer Analyse im Hinblick auf die Behandlung der Klavierstimme wird das Werk seinem gängigen Rezeptionsmuster enthoben, das seit jeher von der Spezifizierung einer ›nordischen‹ Tonsprache geprägt ist. Dabei stellt sich heraus, dass der Klavierpart in das sinfonische Klangbild integriert ist, ohne das Gattungsgerüst als solches zu modifizieren. So offenbart sich eine Diskrepanz zwischen Werkrezeption und -perzeption: Die rigorose zeitgenössische Kritik scheint nicht vorrangig in der Werksubstanz begründet zu sein, sondern vielmehr darin, dass die Fünfte Sinfonie schon nach damaligem Empfinden nicht recht in Gades Œuvre einzuordnen war, indem sie etwa nicht – wie nach der ›universalen‹ Vierten erwartet – entschieden zu einem als nordisch wahrgenommenen Kolorit zurückkehrte. Dabei markiert die Fünfte Sinfonie keinen irreversiblen Wendepunkt in Gades kompositorischem Selbstverständnis, sondern ist Ausdruck einer autonomen Originalität, die als Grundprämisse seines Personalstils zu verstehen ist. Through its inclusion of an obbligato piano part, Gade’s Symphony no. 5 in D minor, op. 25, strains the common definition of the symphony as a genre in the mid-nineteenth century. An objective analysis, which includes a brief overview of the piano part, liberates the work from its historical reception, which has always focused on the “Nordic” tone of the piece. This analysis reveals that the piano is integrated into the sound of the symphony without modifying the essential nature of the genre. Therefore, the discrepancy between the form of the work and its perception becomes obvious: Severe contemporary critiques were not rooted in the work’s substance, but rather in the fact that the Fifth Symphony was difficult to classify within Gade’s oeuvre, as it did not – as expected after the “Universal” Fourth Symphony – return to a perceived Nordic coloring. However, the Fifth Symphony does not mark an irreversible turning point within Gade’s compositional self-conception, but represents an autonomous originality that should be understood as a fundamental premise of his personal style.
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institution Kabale University
issn 1862-6742
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publishDate 2022-07-01
publisher Gesellschaft für Musiktheorie (GMTH)
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Effekt, Extrem – oder Erfindergeist?. Niels W. Gades Fünfte Sinfonie und der obligate Klavierpart
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rezeptionsgeschichte
ästhetische autonomie
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klavierbehandlung
obligates klavier
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›nordic‹ characteristics
piano treatment
piano obbligato
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